2. Das Potenzial dramapädagogischer Verfahren im Fremdsprachenunterricht

2.1. Lernpotenzial

Die Dramapädagogik versteht sich als ganzheitlicher Ansatz. Ihr Ziel ist einerseits die Förderung der fremdsprachlichen Kompetenzen über sprachliche Mittel hinaus, andererseits das Lernen theatraler Ausdrucksformen wie Raum, Körper, Emotion. Dadurch gelingt eine geradezu idealtypische Umsetzung des Prinzips des „Lernens mit allen Sinnen“ im Sinne einer multisensorischen Aktivierung. Zudem werden verschiedene fachübergreifende Kompetenzen gefördert wie die soziale (z.B. Teamfähigkeit) und personale Kompetenz (Gruppen anleiten, sanktionsfreies Probehandeln).

Ein Prinzip kann sein, Körper und Emotion der Sprachproduktion vorzulagern. Sprache und Dialogizität wird so über das Spiel aufgebaut und nicht einfach vorgegeben. Dies öffnet den Unterricht zum Spiel mit Sprachelementen. Dadurch ist mehr sprachliche und (Neigungs-) Differenzierung möglich. Umgekehrt kann von einer inhaltlichen Textarbeit ausgegangen werden, indem z.B. ein Lektionstext im zweiten Lernjahr inszeniert wird, um diese in motivierendes Sprachhandeln münden zu lassen.

Im traditionellen Fremdsprachenunterricht stand bekanntlich vorwiegend die kognitive Durchdringung sprachlicher Strukturen im Mittelpunkt. Das Prinzip der Handlungsorientierung, das sich um die Jahrtausendwende durchsetzte, rückte die tatsächliche Realisierung sprachlicher Handlungen in den Fokus des Unterrichts. Durch dramapädagogische Verfahren lässt sich das Verständnis von Handlungsorientierung deutlich erweitern. Nun werden neben sprachlichen Handlungen auch körperlich-räumliche und emotionale Aspekte menschlicher Kommunikation in den Fokus gerückt, z.B. durch die Bewusstmachung unterschiedlicher emotionaler Zustände und deren sprachlichen, körperlichen Realisierung durch Körperhaltung, Gestik, Mimik und Stimmeinsatz. Mit Körper und Emotionen verknüpftes sprachliches Handeln eröffnet so Möglichkeiten dafür, dass Schüler:innen dieses als persönlich relevant erleben.

Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht leistet auch einen Beitrag zur ästhetischen Bildung. Die Schüler:innen lernen theatrale Ausdrucksformen kennen und setzen Gestik, Mimik, Intonation und Prosodie bewusst ein. Sie reflektieren und nutzen theaterspezifische Gestaltungsmittel wie Licht, Ton und Requisite.

Dramapädagogische Verfahren können auf unterschiedlichen Ebenen die interkulturelle Dimension adressieren. Dies kann zum einen bereits bei der Einführung kulturspezifischer Gesten oder unterschiedlicher Bedeutungen verschiedener Gesten stattfinden. Auf der inhaltlich-szenischen Dimension ist an das Beispiel eines Restaurantbesuchs (siehe Abschnitt 3) und an möglicherweise anzutreffende kulturelle Handlungsroutinen zu denken. Auch Aufgaben der Sprachmittlung mit spielerischem Charakter sind hier zu nennen. Schließlich ist an kulturelle Missverständnisse zu denken und die Erarbeitung von Handlungsalternativen, ggf. im Kontext von Austauschen. Weiterhin wird durch dramapädagogische Verfahren ein zentrales Anliegen der interkulturellen Didaktik umgesetzt, nämlich die Förderung von Empathiefähigkeit durch Perspektivübernahme.